Békessy

Konfession: jüdisch, evangelisch-reformiert

Adelstitel: wohl nicht vorhanden

Der österreichische, nach 1945 in Westdeutschland wichtige Journalist und Bestsellerautor mit US-Staatsbürgerschaft Hans Habe (1911–1977) hieß eigentlich János Békessy und war gebürtiger Ungar. Seine jüdisch geborenen Eltern hatten sich kurz nach ihrer Hochzeit 1910 kalvinistisch taufen lassen; der Sohn war zeitlebens Protestant, wurde aber im Lauf seines Lebens immer einmal wieder mit seiner jüdischen Herkunft konfrontiert (Hans Habe, Ich stelle mich. meine Lebensgeschichte, München etc. 1986 [zuerst ersch. 1954], S. 27f. u. 38).
In seinen Erinnerungen erweckt Habe den Eindruck, seinem jüdischen Urgroßvater Meyer Békesi (ursprünglicher Familienname: Friedlieber) sei um 1860 ein ungarischer Adelstitel verliehen worden. Nach dem missglückten ungarischen Aufstand von 1849 sei dieser zehn Jahre mit Lajos Kossuth im Exil im Osmanischen Reich, in Großbritannien, den USA und Italien gewesen, 1859 sei er nach Ungarn zurückgekehrt und nicht viel später geadelt worden: »Ein Jahr nach seiner Rückkehr wurde Meyer Békesi die väterliche Schokoladenfabrik wieder zuerkannt; er wurde zum Rittmeister der Reserve befördert, und ein königliches Patent erfüllte seinen Jugendtraum – er durfte seinen Namen mit zwei ›s‹ und ›y‹ schreiben.« Zuvor heißt es in Habes Memoiren schon über ihn: »Kaum war der alte Friedlieber tot, als er den jüdischen klingenden Namen ablegte; er ließ sich ›magyarisieren‹. Er hieß von Stund an Békesi – ein Name, der beinahe aristokratisch klingt, wenn auch ein adeliger Békesi den Namen mit zwei ›s‹ und ›y‹ zu schreiben berechtigt wäre.« (ebd., S. 19 u. 17)

Tatsächlich deutet die Endung »ssy« bei ungarischen Namen auf einen Adelstitel hin. Eine Adelsverleihung an Meyer Békesi/Békessy lässt sich jedoch weder ungarischer- noch österreichischerseits nachweisen. Von einer nur »angeblichen Erhebung in den Adelsstand in den 1860er-Jahren« spricht denn auch Andreas Hutter in einem Beitrag über Imre Békessy (1887–1951), den umstrittenen ungarisch-österreichischen Journalisten und Vater von Hans Habe, für das Institut Österreichisches Biographisches Lexikon und biographische Dokumentation.

Internetressource: Artikel über Hans Habe in der deutschsprachigen Wikipedia

Adlige, die für Juden gehalten wurden

Bei Siegmund Kaznelson (Hg.), Juden im deutschen Kulturbereich. Ein Sammelwerk, 3. Ausgabe mit Ergänzungen und Richtigstellungen, Berlin 1962, S. 1043–1060, findet sich eine Liste von »Nichtjuden, die für Juden gehalten wurden«. Sie nennt an Adligen im deutschsprachigen Raum:

Lou Andreas-Salomé [geb. von Salomé] (1861–1937), Schriftstellerin [und Psychoanalytikerin]

Alfred Freiherr von Berger (1853–1912), Theaterdirektor

Lily Braun geb. von Kretschmann (1865–1916), Schriftstellerin [und Sozialistin und Feministin]

Max von Fischel (1850–[1929; 1907 nobilitiert], Admiral

Karl [Ritter] von Frisch (1886–[1982]), Prof. der Zoologie [in München]

Adolph (1826–1903), Bankier, und David von Hansemann (1858–1920), Mediziner

Thea von Harbou (1888–1954), Schriftstellerin

Ferdinand von Lamprecht (1790–1864), Königlich preußischer Wirklicher Geheimrat

Baron Leitenberger [i.e. Friedrich (seit 1868 Ritter, seit 1873 Freiherr von) Leitenberger (1837–1899)], Philanthrop

Otto von Leitgeb (1860–1951), Schriftsteller

Franz von Liszt (1851–1919), Prof. jur. [Cousin des gleichnamigen Komponisten]

Sophie von Löwenthal geb. von Kleyle (1810–[1889]), Lenaus Freundin

Robert [1917–19 Edler von] Musil (1880–1942), Schriftsteller

Ernst von Possart (1841–1921), Schauspieler

Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895), Schrifsteller

Emil G. C. von Sauer (1862–1942), Pianist und Komponist

August Varnhagen von Ense (1785–1858), Schriftsteller

Freilich waren die Ehepartner der Genannten z.T. jüdischer Herkunft. Die Liste, die sich ohne Weiteres fortsetzen ließe, enthält im Gegensatz zum berüchtigten Semigotha nur relativ prominente Personen. Eine jüdische Abstammung nichtjüdischer Personen wurde nicht nur, aber insbesondere von Antisemiten behauptet.

Bloch von Brodnegg

Konfession: jüdisch

Adelstitel: 1914 (Allerhöchste Entschließung) bzw. 1915 (Diplom) österreichischer Ritterstand für Adolf Bloch (Ritter von Brodnegg) (1848–1916), Zuckerfabrik- und Großgrundbesitzer in Böhmen, Kaiserlicher Rat

Der Geadelte war Sohn von David ben Abraham Bloch (ca. 1819–1892), Bankier und Zuckerfabrikbesitzer in Jungbunzlau (Böhmen)

Literatur: Peter Frank-Döfering (Hg.), Adelslexikon des österreichischen Kaisertums 1804–1918, Wien etc. 1989, S. 246; Adelslexikon, Bd. 17 (= Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. 144), Limburg a. d. Lahn 2008, S. 97; Georg Gaugusch, Die Familie Bloch, Bloch-Bauer und Bloch von Brodnegg, in: Adler, Bd. 23 (2006), S. 155–160; ders., Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938 (= Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft »Adler«, 3. F., Bd. 16), Bd. 1, Wien 2011, S. 260–264

Internetressource: genealogische Angaben von Randol Schoenberg unter http://www.geni.com/people/Adolf-Bloch-von-Brodnegg/6000000008355102997 [aufgerufen am 22. August 2013]